Mutterschaft hat viele Gesichter

Gedanken

Wenn mich unter der Dusche Gedanken fangen, die seit Tagen ihr Unwesen treiben, dann müssen sie raus, sortiert werden, in Buchstaben gepackt und aus dem Kopf. Am Wochenende habe ich, ehrlich gesagt etwas ungläubig, eine Diskussion mitbekommen, die mich heute morgen wieder einholte, während ich etwas müde unter dem warmen Wasserstrahl meine Haare einschäumte.

Ich war sauer. Ja, ich hab sogar gestern schon einen Post geschrieben, der deutlich wütender ausfiel, als dieser hier. Ich wollte mich beschweren, den Ärger darüber rauslassen, mit welcher Selbstverständlichkeit manche über andere Mütter und Familien urteilen und damit eigentlich nur eins verraten: Wie wenig Empathie sie besitzen, wenn sie mit Dogmen um sich werden, was gut und schlecht für Kinder sei. Wir haben 2018, wir wissen es eigentlich besser. Sollten es besser wissen.

Gute Gedanken

Ich habe also überlegt, wie ich all das, was so in mir brodelte, in irgendetwas Gutes umwandeln kann. In einen Text, der euch empowert, Kraft gibt, der Perspektiven aufzeigt und euch mit einem guten Gefühl in den Tag schickt. Vielleicht hab ich es hier auch schon mal gesagt, dass mein höchstes Anliegen ist, über „positiv motherhood“ zu sprechen! Mutterschaft mal zu entzaubern, den eigenen Horizont zu erweitern und sich gegenseitig stärker zu machen. Ich wünsch mir so sehr, dass wir uns über die positiven, realen und guten Momente miteinander verbunden fühlen, nicht nur über die ewige Müdigkeit, die ewigen Zahnschmerzen, die ewig andauernden „Terrible-Two“- Jahre.

Ich male euch kein fantastisches Bild über mein Leben als Mama. Ich schreibe über meinen Alltag, ohne Pointe, ohne Filter. Und wenn ich mir eines wünsche, dann, dass ihr euch in eurer Rolle als Mama, mit den Entscheidungen, die ihr für euch und für eure Kinder trefft, wohl und sicher fühlt. Das muss nicht sein, was ich gut finde und muss auch nicht dem entsprechen, was Influencer euch ins Ohr setzen, sondern darf eine ganz eigene, ganz persönliche Reise sein. Traut euch, authentisch zu leben, euch zu irren, seid stolz auf euch, respektiert, was ihr leistet und seid für andere Mütter die Person, die ihr euch an schweren Tagen an eurer Seite wünscht.

Kolumne | Mutterschaft hat viele Gesichter | Mamakolumne

Mutterschaft hat viele Gesichter

Es ist doch so: Wir sind alle anders. Das ist gut so. Und auch wenn nicht, können wir es sowieso nicht ändern. Jeder trägt sein eigenes Paket durchs Leben, in dem alle guten, schlechten, traumatischen Erfahrungen drin stecken, die uns ein Leben lang und durch jede Beziehung begleiten. Um bestimmte Trigger und die eigene Erziehung zu überwinden, muss man eine starke Persönlichkeit haben, sehr reflektiert sein oder professionelle Hilfe holen. (Am Ende des Beitrages findet ihr ein paar Buchempfehlungen von mir, die mir dabei geholfen haben, mich als Mensch und vor allem als Mutter besser zu verstehen.)

Nicht alle Mütter wollten Mütter werden, nicht alle fühlen sich stark und gut mit ihrer Aufgabe, obwohl sie es sich vielleicht jahrelang gewünscht haben, manche sind überfordert, manche sind alleine, manche haben keine Ahnung, wo ihnen der Kopf steht, manche wünschen sich in schwachen Momenten einfach nur ihr altes Leben zurück. Nicht jede Mutter will ihr Kind stillen, nicht jede Mutter will ihr Kind selbst zuhause betreuen. Viele Mütter vermissen ihre Arbeit, vermissen ihre Hobbies, Freunde und die Leichtigkeit des Alltags ohne Kind. Manche Mütter können die Wahl zwischen Job und Familie gar nicht selbst treffen, sondern sind finanziell darauf angewiesen. Manche haben das Glück, Unterstützung von der Familie zu bekommen, viele nicht.

Ich weiß, dass es nicht schön ist, sich diese Realität vor Augen zu halten, aber wir wären schon ein ganzes Stück weiter, wenn sich Mütter ohne Angst vor dem Urteil anderer eingestehen könnten, dass sie das so gern gesehene Bild einer sich aufopfernden Mutter nicht ausfüllen. Das sie Mutterschaft schlicht und ergreifend anders erleben. Es ist so wichtig und so gut, diese angstmachenden Gefühle anzunehmen, um daran zu wachsen. Bilderbuchmuttis gibt es nämlich nicht. Wir tragen alle unser Paket.

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Mutter werden, Mutter sein

Mutter zu werden heißt nicht nur, ein Kind in die Welt zu setzen und sich darum zu kümmern, sondern zieht sich wie ein feiner goldener Faden durch jeden einzelnen Bereich unseres Lebens. Wie wir unsere Freundschaften führen, wie wir lieben, wie wir unsere Prioritäten setzen, für was wir brennen und was uns nicht mehr wichtig ist. Ich glaube, das größte Problem sind wir mit unserer unfassbar unfairen Erwartungshaltung an uns selbst und an unsere Umgebung, unsere Partner, unsere Freunde und unsere Kinder. Vielleicht tut es uns ganz gut, Mutterschaft mal den Heiligenschein abzunehmen, wir sind nämlich alle ganz normale Menschen, die einfach nur wahnsinnig große Angst davor haben, zu scheitern. Und weißt du was? Für dein Kind bist du ein Held, der schönste und beste Mensch auf der Welt. Egal, ob du es stillst, ob du es im Kinderwagen schiebst oder in der Trage durch die Welt trägst, ob du es selbst zuhause betreust oder in die liebevolle Betreuung anderer gibst. Du triffst jeden Tag so viele Entscheidungen, nicht jede davon muss preisverdächtig sein. Es reicht, wenn du darauf vertrauen kannst, dass es die richtigen sind. Du reichst. Du bist gut für dein Kind.

Sei die Frau, die du dir an schlechten Tagen an deiner Seite wünscht

Es ist so leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, dafür muss man nicht erst Mama werden. Und ich versteh schon, dass wenige Themen so polarisierend sind, wie Elternschaft oder Erziehung. Es gibt einen guten Grund, warum ich mich hier nie dazu geäußert habe, dass wir Henry bedürfnisorientiert erziehen (bringt natürlich Klicks), im Familienbett schlafen oder warum ich ihn nach sechs Monaten abgestillt habe: Es ist nicht relevant.

Was ich mir wirklich wünsche, ist, dass du dich stark fühlst, dass du deinem Kind Sicherheit geben kannst, die in dir wohnt. Dass du dir und deinem guten Gefühl vertrauen kannst. Dass Mutterschaft für dich etwas positives ist, nicht trotz der schlechten Tage, trotz der Müdigkeit, trotz der Schwierigkeiten, sondern mit ihnen, weil du nur so wachsen kannst. Und ich weiß, wie wichtig es ist, eine Person an seiner Seite zu haben, die einem an wirklich beschissenen Tagen sagt: „Ich seh dich, du machst das, du bekommst das so gut hin. Sei stolz auf dich. Ich bin’s auch!“

Ohne Urteil, ohne den erhobenen Zeigefinger, ohne einen liebevollen Hinweis auf den besseren Weg, sondern einfach nur so. Weil man’s ehrlich meint. Sei die Person, die du dir auf deinem Weg als Mutter selbst an deine Seite wünscht. 

 

Bücher, die mir geholfen haben, eigene Erziehungsmuster zu hinterfragen und mich als Frau und Mutter besser zu verstehen:

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn

Das Kind in dir muss Heimat finden

Dein kompetentes Kind

artgerecht – Gefühle liebevoll begleiten

Geborgen Wachsen

 

5 thoughts on “Mutterschaft hat viele Gesichter

  1. Julia

    Liebe Regina. Danke. Den Beitrag habe ich heute gebraucht. Ich habe einen drei Monate alten Sohn und wir waren gestern auf einer großen Familienfeier. Ich habe mich von den erhobenen Zeigefingerm und gut gemeinten Ratschlägen und Meinungen ziemlich erschlagen gefühlt. Jetzt geht es mir wieder besser. Was sich für mich und meinen Sohn gut anfühlt, so ganz individuell wie wir sind, ist genau richtig!! Egal welche Vorstellungen andere haben.

    Antworten

    1. Regina

      Liebe Julia,

      das blöde ist ja: Das bleibt auch so. Ändern kannst du nur, auf welchem Ohr du zuhörst. Es wird einfach immer Menschen geben, die meinen, es besser zu wissen. Deswegen finde ich es so so wichtig, dass wir Mütter uns öfter gegenseitig auf die Schulter klopfen und stark machen! <3 In diesem Sinne: Ihr macht es ganz genau richtig! <3

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  2. Kathi

    Ein so sooo toller und wichtiger Blogpost! Vielen Dank dafür :)
    Ich bin selbst erst seit kurzem Mutter und oft fehlt mir einfach die Zeit es zu realisieren und auch die Worte um meine Gefühle auszudrücken.
    Und du hast einfach genau die richtigen Worte gefunden!
    Liebe Grüße Kathi

    Antworten

    1. Regina

      Liebe Kathi,

      ich freu mich wirklich ganz doll, dass dir der Beitrag etwas positives geben konnte! <3 Mutter zu werden kann absolut überwältigend sein, ich brauch manchmal Wochen, um Knoten in meinem Kopf (oder Herzen) auseinander zu fummeln und in Worte zu packen.

      Ganz viel Liebe für dich und dein Baby!

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  3. Maike

    Ich bin gerade auf diesen Beitrag gestoßen, weil wir auf MitohneMaske diesen Monat dem Thema „Regretting Motherhood“ ein wenig das Tabu-Schildchen abkratzen wollen und ich auf der Suche nach Beiträgen darüber war, wie vielseitig und individuell Mutterschaft ist. Und was soll ich sagen? Dein Beitrag ist ganz große klasse, Regina. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich die ganze Zeit über fleißig genickt und zustimmend gemurmelt habe. Mein Mann gegenüber fand das sehr amüsant.

    Es ist leider immer wieder so, dass gerade Mamas scheinbar mit Argusaugen beobachtet werden und enormer Kritik ausgesetzt sind. Jeder scheint sich dazu berufen zu fühlen, seinen Senf zu allem abgeben zu müssen, ohne überhaupt die Zusammenhänge zu kennen und ohne sich Gedanken darüber zu machen, was er damit eventuell anrichtet. Wir sollten dringend lernen, dass wir Menschen und als solche nun mal einfach nicht perfekt sind, Fehler machen, hinfallen und schlechte Tage haben, wie jeder andere Mensch auch.

    Vielen vielen Dank für deine tollen Worte!
    Maike

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