Die Sache mit dem richtigen Zeitpunkt

Ein zweites Kind?

Langsam häufen sich die Fragen nach unserem zweiten Kind. Ob schon eins unterwegs ist. Ob wir noch eins wollen. Wann es kommen soll. Wie es heißen soll. Ob wir dann umziehen müssen. Und dass wir ja lieber nicht mehr so lange warten sollten. Wegen des Altersunterschieds. Viele ungebetene Fragen, denen ich mich eigentlich auch immer recht schnell entziehe, weil ich dieses Interesse an meinem Uterus, meinen ungeborenen Kinder und unserer Familienplanung ein klitzekleines bisschen übergriffig finde.

Eins, zwei, oder drei

Seitdem Henry auf der Welt ist, habe ich ganz verschiedene Emotionen in Bezug auf weitere Kinder gefühlt. Ich komme selbst aus einer großen Familie und habe drei Geschwister, die ich über alles liebe. Meine Erinnerungen an unser Familienleben zuhause sind vor allem trubelig und laut. Ich hab es geliebt und bin deswegen einfach immer wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass ich genau das, den Trubel und die Kinder, auch mal will. Und dann hatte ich mein erstes Kind, so wundervoll, so perfekt. Mein ganzes Herz hängt an dieser einen kleinen Person und es fühlte sich sehr lange gar nicht so an, als müssten wir noch kompletter werden oder als würde jemand fehlen. Ganz im Gegenteil, der lange Heilprozess nach der Geburt, die jahrelangen schlaflosen Nächte, die schrecklichen Zahnschmerzen, das Klammern an mir und meine innere Zerrissenheit zwischen dem, was sich nach Bestimmung und Wahnsinn anfühlt. Zum ersten Mal in meinem Leben hab ich mich mit dem Gedanken beschäftigt, dass mir ein perfektes, gesundes Kind vielleicht sogar reicht. Nur eins.

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Ein Kind ist kein Kind

Keine Ahnung, wer sich diesen bescheuerten Spruch ausgedacht hat, denn dieses erste Kind ist es doch, das einfach alles auf den Kopf stellt. Ich weiß jetzt, wie sich eine Geburt anfühlt. Ich weiß auch, wie es ist, ohne familiären Rückhalt in der Nähe eine Familie zu gründen und zu organisieren. Ich weiß, wie es ist, sich mit einem Kleinkind selbstständig zu machen (nämlich verdammt anstrengend). Ich weiß, wie es ist, nachts nicht zu schlafen und wie sich die totale körperliche Erschöpfung anfühlt. Ich weiß, wie verrückt es ist, wenn man weint, obwohl alles ok ist und man nicht weinen kann, obwohl alles völlig durcheinander ist.

Dieses eine Kind machte alles neu und bevor ich mich auf den Gedanken an ein weiteres Kind einlassen konnte, wollte ich erst wieder in meiner eigenen Komfortzone ankommen. Ich wollte wissen, dass wir als Paar wieder ganz nah zueinander finden, wieder Pläne schmieden und Gespräche führen, die über den Alltagssmalltalk hinausgehen. Ich wollte sicher gehen, dass wir das finanziell stemmen können, die Eingewöhnung in der Kita hinter uns bringen, vielleicht sogar noch etwas reisen, die Zeit zu dritt richtig genießen und mal ganz ehrlich nachfühlen, ob wir uns in dieser Dreierkonstellation vielleicht sogar schon angekommen fühlen.

Meine Kapazitäten ernst nehmen

Nein, natürlich ist es keine Überraschung, dass sich das Leben mit Kind ändert, aber ich glaube, das „wie“ können wir Eltern zumindest ein bisschen mitbestimmen. Ich musste (und muss) mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass das Leben als Familie ein Prozess ist, ein ständiges Wachsen – und das es auch völlig normal und ok ist, wenn die Prioritäten eine ganze Weile nur von den kleinsten Familienmitgliedern bestimmt werden. Es macht überhaupt keinen Sinn, Eltern Ratschläge darin zu geben, was sie tun oder lassen sollten, weil so individuell ist, wie viele Kapazitäten man hat oder was sich schlicht falsch und richtig anfühlt. Ich finde viel wichtiger, mir meine Gefühle ohne Schnickschnack einzugestehen und mich mal von meinem persönlichen Konjunktiv zu befreien. Was könnte und was sollte und was eigentlich gerade ist.

Ich hatte zwar das Bild von mir und meinem Mann und einem Haus und Kindern im Kopf – aber das Leben, was wir jetzt leben, fühlt sich viel richtiger als dieses Bild an. Ich hab auch immer gedacht, ich würde viel schneller wieder schwanger werden wollen oder das mir einfacher fallen würde, weniger zu arbeiten und mich beruflich zurückzunehmen.  Und als es dann darum ging, wann wir wirklich wieder schwanger werden möchten, wirklich wieder von vorne anfangen wollen, obwohl es gerade so unkompliziert und so einfach im Alltag mit Henry und unseren Jobs wurde, wollte ich es gar nicht mehr so schnell und unbedingt.

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Die Sache mit dem Altersabstand

Ich glaube, es hat ganz verschiedene Gründe, warum sich Eltern einen kurzen Altersabstand zwischen den Kindern wünschen. Schneller durch mit dem Thema Kinderplanung, mehr Sicherheit beim Thema Mutterschutz und Elterngeld, sowieso bessere finanzielle Planbarkeit,weil man schneller in den Beruf zurückgehen kann und dann bleibt da natürlich die große Hoffnung, dass die Kinder wie beste Freunde aufwachsen, ganz nah beieinander. Und Hormone, oh my, lasst und diese Biester nicht vergessen, wenn es nach meinen Hormonen gegangen wäre, hätte ich sofort nach Henrys Geburt wieder schwanger werden können. Es ist ja nur so: Babys bleiben keine Babys und Kleinkinder bleiben keine Kleinkinder. Was ich damit sagen will? Es wird nicht einfacher, nur weil Kinder wachsen.

Und na klar, auch ich hab mich durchaus verrückt damit gemacht, dass unsere Kinder im Alter nicht zu weit voneinander entfernt liegen sollten. Zwar nicht lange, aber ja, ich kenne diese Gedanken.

Erinnert ihr euch an meine drei Geschwister? Zwischen uns allen liegen insgesamt 13 Jahre Altersunterschied. Meine Brüder sind 6 und 5 Jahre älter als ich, meine Schwester ist 7 Jahre jünger. Wir leben alle ganz unterschiedlich, jeder hat seine eigenen kleinen Kosmos, seine Familie und enge Freunde, Pläne und Wünsche. Wir teilen keinen gemeinsamen Freundeskreis und waren nicht auf einer Schule. Meine Geschwister sind heute meine besten Freunde, wir fahren sogar gemeinsam in den Urlaub, teilen nicht nur die gleiche DNA, sondern vor allem unsere Liebe füreinander. Das Alter wird immer egaler zwischen uns und ich weiß nicht, warum ich so lange gebraucht habe, um daraus meine Erkenntnis zu schöpfen: Das Alter meiner Kinder und der Abstand zwischen ihnen beeinflusst nicht, ob sie sich wirklich gern haben oder nicht. Und das gibt mir im Umkehrschluss die totale Zuversicht darin, dass ich mir die Zeit nehmen darf, um Kraft und Ruhe für ein weiteres Wunschkind zu sammeln, das wir wirklich wollen – nur nicht jetzt gerade.

 

Falls ihr diese Gedanken und vor allem Fragen von außen kennt, falls euch das stresst oder sogar ein wenig kopflos macht: Springt nicht einfach ins kalte Wasser. Eine Familie zu gründen ist keine Challenge, die man monatlich neu starten kann. Das ist real, real wunderbar und real heftig, kann finanziell und emotional eine absolute Herausforderung sein. Natürlich (!) ist ein Kind all das wert, denn was man zurückbekommt, ist mit keinem Schlaf oder Geld der Welt zu bezahlen. Aber es ist so viel schöner, wenn wir alle Phasen, die anstrengenden und die guten, gemeinsam mit unseren Kindern durchleben, damit sie und wir daran wachsen können und stark werden. Wenn wir die Kapazitäten dafür haben, unsere Kinder zu begleiten, wirklich da zu sein. Also bitte, entscheidet nicht nur aus rein rationalen Gründen, dass es Zeit für ein weiteres Kind ist. Entscheidet das unbedingt mit eurem Partner, mit eurem Herzen, mit einem kleinen Blick in die Zukunft und im besten Fall mit ganz viel Vorfreude und Aufregung!

15 thoughts on “Die Sache mit dem richtigen Zeitpunkt

  1. Kati

    Ein schöner Beitrag! Nach dem ersten Kind haben meine Eltern sehr sehr schnell (und nicht gaaaanz so geplant) mich bekommen, zwischen meiner Schwester und mir liegt nur ein knappes Jahr. Die nächste kam dann erst 7 Jahre später. Das Verhältnis zu beiden ist unterschiedlich, aber genauso eng. Irgendwie wurde mir mit meiner Schwester sicher eine ,,beste Freundin“ mitgegeben, aber eben auch eine große Schwester, die zu nah dran ist, um ein cooles großes Vorbild zu sein, aber eben doch die, die alles zu erst gemacht hat, die die ,,Größere“ war. Egal wie groß der Abstand ist, Geschwister können zu den engsten Personen im Leben werden – oder eben nicht. Da steckt man am Ende dann auch nicht drin. Und ich weiß bis heute nicht, wie meine Eltern tatsächlich reagiert haben, als sie mit einem 4-Monate-Baby im Arm erfahren haben, das da in 9 Monaten noch eins auf der Matte steht :D

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    1. Regina

      Liebe Kati,

      danke für deine lieben Worte. Die Beziehung, die man unter Geschwistern hat, ist eh total individuell, aber über allem ist ja am wichtigsten, dass man sicher weiß, dass man sich hat. <3 Und dafür ist der Alstersabstand einfach egal…(und bei meiner Mama und meinen Brüdern war es genauso…nach 3 Monaten hat sich Nummer zwei eingeschlichen. Ich wäre ja durchgedreht!)

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  2. Jenny

    DAS tut gut zu lesen. Eben genau, weil die Gedanken auch in meinem Kopf umhertreiben. Bekomme ich kein weiteres Kind, dann …. Bekomme ich das zweite Kind zu spät, dann …. Hinzu das schlechte Gewissen gegenüber dem ersten Kind, es „allein“ zu lassen und eigentlich ist man mit einem Kind doch sowie keine „richtige“ Familie. So ein Unsinn was einem da manchmal so tief im Kopf verankert ist.

    Danke für den Post!

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    1. Regina

      <3 Liebe Jenny, ich freu mich, dass dir der Beitrag gefällt! Wenn die Gedanken so durch den Kopf wuseln, kann man schon mal irre werden. Insofern: Ganz viel Liebe an dich!

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  3. Melanie

    Das hast du richtig toll in Worte gefasst! Nur ihr wisst, wann es fuer euch passt. Wenn es nach den doofen Hormonen ginge, waere ich wohl schon mit Kind Nr. 3 schwanger ;-) wenn ich aber auf meine innere Stimme hoere, meine eigenen, persoenlichen Grenzen und Belastbarkeit achte, dann bin ich total zufrieden und gluecklich mit unserer lebendigen vierjaehrigen (fast 5) Tochter und unserem einjaehrigen Weltentdecker! so fuehlt sich fuer mich unsere Familie perfekt an!!! das Gefuehl wuensche ich euch auch. :-)

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    1. Regina

      Liebe Melanie,

      zum Glück hab ich meine Hormone im Griff, sonst wäre es bei mir ähnlich. Ich hatte neulich ein Klassentreffen und wurde tatsächlich gefragt, ob ich mittlerweile denn schon meine drei Kinder hätte, die ich immer wollte. Da wurde mir kurz anders, weil das Leben dann ja doch anders läuft, als man sich irgendwann mal ausgemalt hat. Ich bin froh, mich aktuell auch nur auf ein Kind konzentrieren zu können. <3 Der Altersabstand bei euch klingt für mich perfekt!

      Ganz liebe Grüße an dich

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  4. Henriette

    Das ist ein richtig richtig schöner Text und tut sicher sehr Vielen gut zu lesen. Ich bin ganz frisch Mama geworden (vor 5 Wochen) und komme erst langsam in meiner neuen Rolle an. Das im eigenen Herzen noch Platz für ein weiteres Kind sein kann, wenn das Eine es doch schon komplett ausfüllt, kann ich mir aktuell gar nicht vorstellen. Dennoch hört man auch anfangs immer Sprüche wie ‚das Erste ist der Testlauf‘, ‚die zweite Geburt wird viel einfacher‘, ‚wenn ihr dann noch ein Kind habt…‘ Verrückt! Deshalb Danke für deinen Text :)

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    1. Regina

      Liebe Henriette, danke, danke! Dir erst einmal herzlichsten Glückwunsch zu deinem Wunder, 5 Wochen ist noch soooo klein und süß. Und glaub mir, das ändert sich wahrscheinlich auch erst, wenn ein zweites Kind auf dem Weg ist. Sogar ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, noch ein Kind so zu lieben wie Henry. Je älter er wird, umso mehr wachsen wir zusammen…die Liebe wird nur größer! <3

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  5. Tanja

    Du sprichst in deinem Beitrag so viel Wahres an. Wir haben uns mit dem zweiten Kind viel Zeit gelassen und unsere Große war schon fast fünf Jahre alt, aber was soll ich sagen,… es war richtig so. Denn ohne Family im Hintergrund und mit Teilzeitjob sind zwei Kinder im Alltag schon eine Herausforderung und mit diesem großen Abstand, hat man zumindest ein Kind, das sich auch schon alleine anziehen kann oder auch mal fünf Minuten warten kann. Für uns war es so genau richtig,… alles Liebe für dich und euren Weg

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    1. Regina

      Liebe Tanja, vielen Dank für deine Worte. Es ist wie du sagst, mit all den Dingen, die im Hintergrund laufen, wäre es für uns einfach nicht richtig, in all das Grundrauschen ein Kind in die Welt zu setzen. Ich fühl mich einfach besser damit, den Rahmen festzusetzen, vor allem auch wegen meiner Selbstständigkeit für Sicherheit zu sorgen, und DANN ein zweites Kind zu bekommen. Manchmal spielt das Leben ja anders, aber ich find gerade ganz schön, dass hier alles nach „Plan“ läuft ;)

      Ganz viel Liebe für DICH! <3

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  6. katharina

    danke, danke, danke für diesen text! <3

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  7. Jasmin

    Liebe Regina,
    vielen Dank für deinen Post. Der fasst das Thema ziemlich gut zusammen. Es ist tatsächlich etwas übergriffig, ständig gefragt zu werden, nur die Gegenseite sieht da nie die Grenze. Ich werde deine Worte bestimmt noch öfter lesen und sacken lassen. Denn aktuell ist es rein vernunftstechnisch schon so, dass ich denke, Kind Nr. 2 wäre jetzt angesagt, aber das Herz ist bei dem Thema doch unerwartet zurückhaltend. Läuft es doch einfach so schön und harmonisch mit der Dreijährigen. Es war bislang gar keine Option, eventuell nur ein Kind zu bekommen. Aber jetzt fühlt es sich komisch an, sich noch ein Kind in unserer Familie vorzustellen. Wie gesagt, danke für deine Worte!
    Liebe Grüße,
    Jasmin

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  8. Silvia

    Selten so einen Blogbeitrag gelesen, in dem jeder Satz soviel Wahrheit enthält und ich ständig alles mit „ja genau!“ in Gedanken kommentiere. Danke danke danke dass es auch solche Posts gibt :) <3

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    1. Regina

      Liebe Silvia,

      wow, danke für so ein tolles Feedback! <3

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