Twentynine

OLDER, BUT WISER

Mein letztes Lebensjahr verlief ziemlich parallel zu meinem ersten Jahr als Mutter, als Partnerin in einem Familiengefüge, als Frau, die sich über 12 Monate vor allem dazu berufen fühlte, ein Kind zu umsorgen, bei Laune zu halten, zu wiegen, zu tragen, zu singen, zu spielen und auch alle anderen Bedürfnisse an Ort und Stelle zu verarzten. Henry – das kann ich ohne mich blöd zu fühlen auch ruhig sagen – Henry hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Alles was ich fühle, fühle ich 1000x intensiver, alles was ich tue, tue ich für uns. Ich bin sanfter, stärker, geduldiger, konsequenter, liebevoller und mehr denn je die Person, die ich mir gewünscht hatte zu werden. Nach Henrys Geburt und ziemlich genauso zu meinem letzten Geburtstag hatte ich oft das Gefühl, dass meine Schuhe mir eine Nummer zu groß sind, als müsste ich in alles – meine Haut, meine Person, meine Beziehungen und Hobbys – als müsste ich in alles wieder neu hineinwachsen.

ONE YEAR AS A FIRST TIME MOM

Jetzt, ein Jahr später, habe ich das Gefühl, das mir alles wieder passt, das ich total bei mir als Mutter und bei mir als Frau angekommen bin – und das fühlt sich großartig an. Ich glaube schon, dass es eine Weile braucht, vielleicht sogar ein ganzes Jahr, bevor sich abzeichnet, was für eine Mutter man ist. Ob man in der Gesamttendenz cool, locker, gelassen, unruhig, vorsichtig, ängstlich ist. Meine Freundin Lina ist sich zum Glück nicht zu schade dafür, um zwischen Arbeit und noch mehr Arbeit über sowas mit mir nachzugrübeln. Sie schaut mich zwischen guten und kritischen Gedanken zwar immer ein bisschen zweifelnd an, ob sie, als Nicht-Mutter bestimmte Dinge überhaupt sagen dürfe, aber ich bin dankbar für jede Perspektive, die mir manchmal im Alltag fehlt.

 

Erst sind da diese unglaublichen Hormone, dann diese unvorhersehbaren Ups und Downs, dann ist das Kind eine Woche ein Engel, in der nächsten wie ausgewechselt und bis sich ein echter Alltag einspielt, sich eine Routine wirklich so nennen darf und wir jungen Mütter auch Aufgaben oder sogar Hobbys nachgehen, die mal nicht das eigene Kind betreffen, das dauert eben seine Zeit. Diesen Gedanken finde ich gar nicht verkehrt und wenn ich rückblickend auf das letzte Jahr schaue, auf mich und auf meine Beziehungen, kommt diese Rechnung sogar irgendwie hin. Henrys Geburtstag im März war ein riesiger Meilenstein, er hat in dem Zeitraum so viel dazu gelernt, ist zu einem richtigen kleinen Jungen geworden und das hat mir auf der einen Seite vieles einfacher gemacht und auf der anderen so viele neue Aufgaben auf meine Liste gepackt.

 

FINDING A PURPOSE AND MY TRUE SELF

Um nach so einem unfassbaren Erlebnis wie der Geburt des eigenen Kindes wirklich wieder ganz bei sich anzukommen, ich glaube, dafür braucht es die richtigen Menschen im Leben, die einen dabei unterstützen, ehrlich sind, von Herzen mitfühlen können und einen daran erinnern, das man noch mehr kann, als sekundenschnell Windeln zu wechseln. Zum Beispiel, dass man viel zu gesellig ist, um sich nur mit dem schlafenden Baby zu unterhalten, dass man super kochen kann, aber eben nicht nur Kürbisbrei, dass man super die Hüften schwingt und unbedingt alle paar Monate Mal die Nacht zu blöden Popsongs durchfeiern sollte, dass einem dunkler Lippenstift einfach unheimlich gut steht oder dass man gut in seinem Job ist, zu gut, um ihn nicht zu machen. Sicher, jeder ist anders, aber wenn ich gepusht werde, wenn ich an genau den richtigen Stellen die nötige Unterstützung bekomme, dann fühlt es sich an, als würde mich jemand für ein paar Schritte auf meinem Weg tragen und das ist so viel wert, wenn sich die eigene Last an manchen Tagen untragbar anfühlt. Alex und ich haben endlose Gespräche darüber geführt, wie wir unsere Aufgaben als Eltern am besten und so gleichwertig wie möglich zwischen uns aufteilen können (eine Utopie, ich weiß) und meine Freundinnen sind nie müde geworden, mich zum Wein, zum Essen oder zur Girls Night einzuladen. Meine Momfreundinnen haben einen festen Platz in meinem Herzen, haben mir so viele Tage einfacher gemacht, weil geteiltes Leid wirklich halbes Leid ist, weil ein Kakao im Regen zu zweit einfach besser schmeckt und weil sich keiner über mein ungeschminktes Gesicht wundert, sondern wohlwissend und ungefragt den dampfenden Kaffee vor mich stellt. Ihr alle habt mir dabei geholfen, mein „Ich“ zwischen Wäsche, dreckigem Geschirr, zwischen schlaflosen Nächten und den schönsten Momenten als stolze Mama wiederzufinden und der Weg dahin war wunderschön, manchmal steinig, aber genau richtig und so besonders.

Um nach so einem unfassbaren Erlebnis wie der Geburt des eigenen Kindes wirklich wieder ganz bei sich anzukommen, braucht es die richtigen Menschen um einen herum.

BLESSED

Mein 29.Geburtstag war mit Abstand der traurigste Geburtstag den ich je hatte, weil wir meine Oma verabschieden mussten. Ich stand morgens auf und hatte einfach nur Angst vor diesem Moment, ihr liebevolles Gesicht leblos vor mir zu sehen. Wir wussten, dass sie gehen wird, aber von ihr Abschied zu nehmen war schwer und bitter und ist immer noch zu abstrakt für mich, um es in passende Worte zu fassen. Ich bin unendlich froh, dass wir uns an den Händen gehalten haben, als wir es noch konnten, dass sie Henry kennenlernen durfte, dass er ihr ein wunderschönes Lächeln ins Gesicht zauberte und wir uns leise „Auf Wiedersehen!“ sagen konnten. So ein kleiner Mensch ist einfach das schönste Zeichen für den Lauf der Zeit, den man nicht aufhalten kann und mit dieser Erkenntnis kommt mit ihr Verlust weniger schmerzhaft vor. Vielleicht war es auch ihr Tod, der mich kurz zum Innehalten zwang, um klar zu sehen und wahrzunehmen, wieviel Gutes ich erleben darf, wie glücklich ich mich für meine Familie, für meine Freunde und das wunderbare Leben schätzen kann, dass ich mit seinen Höhen und Tiefen erleben darf. Mein Alter, das ist nur eine Zahl – eine Zahl, die ich mit unzähligen Erinnerungen füllen möchte.

4 thoughts on “Twentynine

  1. Katharina

    Tolle Worte und richtig berührend!

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  2. Mellli

    Wahsinns Artikel den du hier plötzlich raushaust. Allein die Fotos gehen unter die Haut. Danke dafür

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