Die ersten drei Wochen mit Henry

Der erste Blick in den Spiegel, direkt nach der Geburt, war ein totaler Schock: Meine Augen blutunterlaufen, mein Gesicht geschwollen und von geplatzten Adern durchzogen, mein Teint aschfahl. Keine Frage, eine Geburt ist ein extremer Kraftakt für den Körper, aber meinem völlig erschöpften Ich gegenüberzustehen, das hat mich kurz umgehauen. Innerlich habe ich mich wie eine Heldin gefeiert, äußerlich war davon nicht so viel zu sehen. Ich bin immer noch absolut beeindruckt davon, was mein Körper da geleistet hat und kann im Nachhinein kaum glauben, dass ich es wirklich geschafft habe- auch wenn ich in den ersten zwei Wochen keinen Tag ohne Ibuprofen überstanden hätte. Ich habe vorher stundenlang Geburtsberichte auf Youtube geschaut, hab mich in Gesprächen vorbereitet, hab mir jedes Detail angehört, habe Fragen gestellt und trotzdem kann einen nichts und niemand darauf vorbereiten, was tatsächlich passiert. Jede Geburt verläuft anders, jede Frau erlebt und fühlt anders und es ist unmöglich, von anderen auf sich selbst zu schließen – das weiß ich jetzt.

Also, wie gehts uns heute, drei Wochen danach?

DAS LEBEN ZU DRITT

First things first: Henry ist ein Traumkind! Er hat es uns von Anfang an extrem leicht gemacht, in diese Elternsache reinzuwachsen und mit ihm gemeinsam zu lernen, wie man gewisse Dinge eben so macht. Stillen, wickeln, anziehen, beruhigen – da kann man schon mal ins Schwitzen geraten und bevor wir ihm das erste Mal einen Body über den kleinen Kopf gezogen haben, mussten wir dreimal tief ein-und ausatmen. Aber bleiben wir beim Lernen! Es fühlt sich immer noch so an, als würde nicht nur er wachsen und uns täglich mit etwas Neuem überraschen, sondern auch wir lernen ständig dazu und fühlen uns immer sicherer und selbstbewusster im Umgang mit ihm. Es sind ja noch keine guten Eltern vom Himmel gefallen, deswegen gehen wir das alles entspannt an und da es ihm klasse geht, gehe ich davon aus, dass wir es auf unsere Weise schon irgendwie richtig machen. In den letzten Tagen ist er vor allem abends etwas unruhiger und braucht besonders viele Kuscheleinheiten, um zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. Aber sobald er sich bei einem von uns auf dem Arm einkuscheln kann, unsere Stimme hört und eine kleine Portion Milch bekommt, ist die Welt wieder in Ordnung. Wir richten uns da an den guten Rat meiner Hebamme, dass man Neugeborene und Babys überhaupt nicht mit zu viel Liebe und Zuneigung verwöhnen kann. Erziehung und Routinen kommen irgendwann später, momentan erfüllen wir einfach jedes Bedürfnis, dass unser kleine Mops hat und kuscheln und knuddeln so viel, wie eben geht.

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Ich bin so froh, dass Alex die ersten zwei Monate in Elternzeit gegangen ist und wir diese besondere Zeit gemeinsam erleben und genießen können. Mir war von Anfang an wichtig, dass er keine Hemmungen im Umgang mit ihm hat und Henry genauso wickelt, anzieht und beruhigt wie ich – damit greift er mir nicht nur enorm unter die Arme und schaufelt mir täglich ein paar Stunden Stunden frei, in denen ich schlafen oder, wie jetzt, arbeiten kann, sondern baut auch eine wunderbare, enge Beziehung zu unserem Sohn auf. In den ersten 14 Tagen hat Alex alleine den Haushalt geschmissen, eingekauft, gekocht und sich darum gekümmert, dass ich wieder auf die Beine komme. Alleine hätte ich es niemals geschafft, für mich und den Kleinen zu sorgen, genug zu essen und vernünftig zu heilen. Das sagt einem nämlich keiner: Das Wochenbett ist wortwörtlich gemeint! Das heißt, liegen, ausruhen und dem Körper die Ruhe geben, die er braucht, um wieder fit zu werden! Seit ein paar Tagen geht es mir wesentlich besser und ich habe sogar schon wieder den Kochlöffel geschwungen – es geht voran und fühle mich immer mehr wie ich selbst.

BODY & RECOVERY

So eine Geburt richtet ganz nebenbei den ein oder anderen „Schaden“ an. Die Schwangerschaft war ja außerordentlich gnädig mit mir und bis auf ein paar leichtere Dehnungsstreifen an der Hüfte und am Po bin ich von sonstigen Problemchen verschont geblieben. Irgendwann musste es mich ja treffen und die Geburt hat da eben ihr Übriges getan. Ich habe eine völlig neue Interpretation von Schmerz erlebt und auch wenn es am Ende meinen kleinen Jungen zu uns gebracht hat, bin ich überhaupt nicht bereit, das Ganze mit einem Handwisch abzutun. Eine Geburt ist Schwerstarbeit und zum Glück kennt der Körper ein paar kleine Tricks, damit man währenddessen weder kollabiert, noch in Ohnmacht fällt, noch einfach aufgibt. Es hat drei volle Wochen gedauert, bis ich psychisch und physisch das Gefühl hatte, wieder einigermaßen in meinem Körper angekommen zu sein. Das heißt nicht, dass die Blessuren überstanden sind oder ich wieder da bin, wo wir vor 10 Monaten standen, aber der Heilprozess geht gut voran und ich kann zumindest schon eine langsame Runde um den Block gehen, ohne vor Schmerzen laut aufzujaulen. Die Nähte lösen sich mittlerweile auf und ich bin zumindest schon so stark abgeschwollen, dass ich mal mit dem Spiegel nachsehen konnte, ob noch alles an Ort und Stelle ist. Ich kann freudig Entwarnung geben: Meine Mumu hat keine sichtbaren Schäden davongetragen. So viel dazu. Übrigens habe ich keine Waage zuhause, deswegen kann ich euch nicht sagen, wie viele meiner Schwangerschaftskilos schon runter sind, aber als Richtwert nehme ich immer meine Lieblingsklamotten und die passen noch nicht wieder. Der Bauch hat sich zwar schon super zurückgebildet, aber ist natürlich ganz weich und man sieht mir die vergangene Schwangerschaft definitiv noch an. Stress mache ich mir aber keinen, früher oder später wird sich mein Körper wieder erholen und sobald ich mich fit fühle, kann ich auch wieder Sport machen. Nicht, dass ich das jemals exzessiv betrieben hätte, also keine Sorge…:)

Mein Gesicht war vor allem in der ersten Woche noch stark geschwollen, aber sowohl die geplatzten Adern in den Augen als auch die Wassereinlagerungen sind nach wenigen Tagen wieder verschwunden. Geholfen haben literweise Wasser, kalte Umschläge, auf dem Bauch liegen (um den Beckenboden zu entlasten) und Massagen an Armen und Beinen. Ich gehöre blöderweise nicht zu den Leuten, die sowas wie Bettruhe einhalten können – das war damals bei meinen Bänderrissen schon so und hat sich bis heute nicht verändert. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass eine gute Mischung aus Ruhe und leichter Bewegung die beste Kombi ist, um den Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Durch die lange und zum Schluss heftige Geburt hat mein Beckenboden etwas stärker gelitten als es normalerweise der Fall ist, daher habe ich schon recht früh mit ganz leichten Übungen angefangen, die aber fast sofort zu merklichen Verbesserungen geführt haben. Trotzdem: Langes Sitzen, Stehen und Gehen schlaucht immer noch und am späten Nachmittag versuche ich mich zumindest für eine Stunde hinzulegen und auszuruhen.

Auch eine ganz nette Erfahrung: Brüste haben! Ich war bisher immer zufrieden mit meiner überschaubaren 70A und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich auch wieder drauf. Aber hey, jetzt kann ich das Thema zumindest von meiner Liste streichen.

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STILLEN

So, Mädels, jetzt mal ganz unter uns: Zu Stillen ist ein riesiges Commitment an sein Kind. Ich habe ehrlicherweise nicht geahnt, wie sehr ich mich selbst und meine eigene Bedürfnisse zurücknehmen muss, damit die Sache mit dem Stillen gut klappt. Das ist überhaupt nicht schlimm, versteht mich nicht falsch, es ist wunderschön, sich auf diese besondere Weise mit seinem eigenen Kind zu verbinden, es ernähren zu können und ihm gleichzeitig Nähe und Geborgenheit zu schenken. Die Natur hat hier wirklich ganz wunderbar vorgesorgt und für den süßesten Mops der Welt gebe ich meine Brüste nur zu gerne her! Aber die Brust bleibt in den ersten Wochen eben auch der sicherste Ort für das Baby und sobald sich hier jemand unsicher fühlt oder gemeckert wird, muss ich die Milchbar eröffnen. In den ersten Tagen auch noch wesentlich öfter als jetzt und ja, das ist verdammt schmerzhaft gewesen. Ich kann jetzt absolut nachvollziehen, warum mir jeder geraten hat, einfach weiterzumachen, bis es besser wird. Denn: Es wird besser. Kleiner Tipp: Bei wunden Brustwarzen kann ich euch Beinweilsalbe und Heilwolle empfehlen. Die Kombination ist mir wärmstens von meiner Hebamme ans Herz gelegt worden und ich kann die Wirkung nur unterschreiben! Die Haut regeneriert sich innerhalb von wenigen Stunden und auch bei Henry hat sich eine wunde Hautfalte über Nacht wieder erholt. Außerdem streiche ich Abends in der Dusche immer ein wenig Milch aus, wenn ich das Gefühl habe, dass die Brust zu voll ist und hatte bisher überhaupt keine Probleme mit verstopften Milchdrüsen oder Mastitis.

Was ich viel schwieriger finde, ist genug zu essen! Ich hab zwar oft gehört, dass Stillen unfassbar viele Kalorien verbrennt, aber meine Güte, ich komme gar nicht hinterher. Nachts greife ich mittlerweile immer auf einen kleinen Snack zurück (Müsliriegel, Banane, Datteln oder Kuchen vom Vortag…), den ich auf meinem Beistelltisch drapiere, damit ich während einer meiner Nachtschichten nicht verhungere. Ansonsten achte ich darauf, wirklich drei vernünftige Mahlzeiten pro Tag zu essen und zwischendurch nicht nur Schokolade und Kekse zu naschen, weil es wieder mal schnell gehen muss. Wir sind hier noch lange von einem echten Rhythmus entfernt, aber es zeichnet sich langsam ab, dass Henry alle zwei bis drei Stunden Hunger bekommt, tagsüber in den Pausen dazwischen schläft (oder mittlerweile auch gerne etwas bespaßt werden möchte) und mich nachts in der Regel alle drei Stunden weckt, um gefüttert zu werden. Also, alles wirklich im Rahmen, wir müssen nicht so viel leiden und hatten bisher nur einige Ausnahmen, in denen Henry Tag und Nacht irgendwie verwechselt hat. Kriegen wir auch noch in den Griff!

Und sonst so?

Henry hat die letzten drei Wochen zu den schönsten meines Lebens gemacht! Ich hab mich noch nie so müde und körperlich erschöpft gefühlt, wie in dieser Zeit und gleichzeitig noch nie so voller Liebe, voller Glücksgefühle und Stolz, dass wir Eltern von diesem kleinen Sonnenschein sein dürfen. Ich könnte stundenlang vor seinem Bettchen sitzen und seinen kleinen Körper beobachten, wie lustig er die Schnute verzieht, den Mund spitzt oder ein zartes Lächeln über sein Gesicht zieht. Das ist mein Junge, ein ganzes Leben lang, ich werde nie wieder nicht Mama sein und ich freue mich wirklich unglaublich auf jeden Tag, der noch vor uns liegt! Es ist so süß, wie er auf Gesang und Klaviermusik reagiert und ich könnte heulen, dass ich mein Klavier nicht hier in Hamburg habe – es beruhigt ihn ungemein und er hört ganz genau zu. Naja, jetzt läuft den ganzen Tag die Disney-Piano-Playlist rauf und runter und bis auf Alex ist noch niemand genervt davon. :)

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5 thoughts on “Die ersten drei Wochen mit Henry

  1. Jessica

    Ach das ist so herrlich. Ich könnte mich ständig bedanken, dass du das mit uns teilst!
    Ich bin jetzt 6 Wochen vorm ET und es ist so verrückt. Ich glaube, es ist wie du sagst. Man kann sich nicht wirklich vorbereiten auf die Geburt. Man stellt es sich vor, aber wie es dann letztlich wird?
    Und ein bisschen Gruselig ist das schon. Da wird man so reingeworfen. Wenn die Wehen losgehen, dann gehen sie los. Dann steckt man drin und kommt aus der Situation nicht mehr raus. Und man MUSS da durch. Wie durch ein ganz schreckliche Magen-Darm-Grippe. Komischer Vergleich, ich weiß :) aber da kann man auch nur aushalten und durch und hoffen, dass es bald besser wird.
    Ich kann mir vorstellen, wie stolz man danach auf sich ist. Wow ich meine, eine Geburt ist doch wirklich der absolute Wahnsinn. Wenn man das geschafft hat dann schafft man alles.

    Schön zu lesen, dass ihr eurem Henry jedes Bedürfnis erfüllt, genauso finde ich das auch richtig. Darauf freue ich mich schon so sehr. Egal wie nervenaufreibend vieles werden wird. Egal, wie sehr ich an meine Grenzen stoßen werde. Unserem Baby ein Gefühl von Sicherheit und absoluter Liebe zu vermitteln, darauf freuenich mich und das ist es wert.

    Dir noch alles Liebe und viel Freude mit der kleinen Raupe <3

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  2. FashionqueensDiary

    Super schöner Erfahrungsbericht! Ich wünsche euch noch ganz viele tolle Momente und werde in Zukunft öfter hier vorbei schauen, macht totale Freude, deine Beiträge zu lesen :)

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  3. Mellli

    Ein toller Bericht, der viele Facetten dieser intensiven Zeit deutlich macht. Hör auf dich und deinen Körper und ich glaube euer Sohn wird euch das ein oder andere Mal in schwierigen Situationen schon den Weg zeigen.
    Alles Liene.,
    melli

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  4. Rena

    Es ist so schön dass du uns bei deiner Reise teilhaben lässt und auch sehr persönliche Dinge teilst. Ich lese diese Posts unglaublich gerne, mehr davon :)) weiterhin alles gute für euch drei!

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